Hüftdysplasie
Die Hüftgelenksdysplasie (HD) des Hundes stellt mit die häufigste Krankheit des Bewegungsapparates dar, die mittelgroße bis große Hunde, Rassehunde wie Mischlinge befällt. Seit wenigen Jahrzehnten beschäftigen sich Tierärzte, Wissenschaftler und Zuchtorganisationen eingehend mit dieser Erkrankung. Heute weiß man relativ genau um die Krankheitsentstehung; auch die Krankheitsursachen sind weitestgehend bekannt. Auch wenn teilweise verschiedene Auffassungen über die auslösenden Faktoren bzw. deren Gewichtung bestehen, ist man sich heutzutage doch einig, dass die HD größtenteils erblich bedingt ist und aufgrund ihres polygenen Erbganges und ihrer multifaktionell bedingten Ausprägung von einigen, nicht genetischen Faktoren, beeinflusst wird.
Das Hüftgelenk
Das Hüftgelenk des Hundes wird von Anteilen des Beckens (Sitzbein, Hüftbein und Schambein) sowie dem Oberschenkelkopf gebildet. Die Beckenknochen bilden die Hüftgelenkspfanne, in welche der Oberschenkelkopf tief eingebettet liegt. Die Gelenkflächen der beteiligten Knochen sind von Knorpel überzogen. Das Hüftgelenk funktioniert als Kugelgelenk und ist dadurch in nahezu jede Richtung mehr oder weniger frei beweglich. Es wird zusätzlich durch den Muskeltonus, die Gelenkkapsel und die Adhäsionskräfte der enthaltenen Gelenkschmiere stabilisiert. Ein Band verbindet außerdem den Oberschenkelkopf mit der Tiefe der Hüftgelenkspfanne. Dies sind die Zustände, wie sie beim gesunden Hund vorliegen und wie sie unabdingbar für einen reibungslosen Bewegungsablauf über viele Jahre eines Hundelebens hinweg sind.
Krankheitsentstehung
Bestehen nun genetisch bedingte Abweichungen in Form oder Zusammenspiel der genannten Strukturen, so bezeichnet man solche Hüftgelenke als dysplastisch. Solch eine Fehlbildung bzw. Fehlentwicklung eines oder beider Hüftgelenke kann die unterschiedlichsten Schweregrade aufweisen. Auch die Ausprägungsform einer HD ist mannigfaltig. So kann die Hüftgelenkspfanne zu flach sein und/oder der Oberschenkelkopf zu klein. Jede Abweichung in der Übereinstimmung von Pfanne und Kopf wird als Inkongruenz bezeichnet. Manche Autoren machen Muskelanomalien (vorrangig einen verkürzten Muskulus pectineus) verantwortlich. Hierdurch werde der an diesen Muskel angeheftete Oberschenkelkopf permanent gegen die Pfannenwand aufgezogen, was wiederum zu den bekannten Folgeerscheinungen führen soll.
Eine weitere Ursache für HD ist ein zu lockerer Gelenkschluss, d. h. der Kopf sitzt nicht fest und straff genug in der Pfanne. Gründe hierfür sind z. B. zu schlaffe Bänder oder Gelenkkapseln. Beides, sowohl die Inkongruenz als auch ein zu lockerer Gelenkschluss, kann im Laufe der Zeit zu sekundären degenerativen Veränderungen führen.
Diese stellen sich durch die dauerhaften Fehlbelastungen der Gelenkflächen früher oder später als Schwund des Gelenkknorpels sowie als Exostosen und Arthrosen ein. Als extreme Folge hiervon wiederum kann sogar eine Luxation des Hüftgelenkes auftreten. Die knöchernen Veränderungen, die man oftmals bei einer fortgeschrittenen HD auf dem Röntgenbild feststellt, sind also nicht Symptome der eigentlichen Erkrankung, sondern Folgeerscheinungen. Mit ein Grund dafür, dass es bei der HD kein "Alles-oder-Nichts-Prinzip", sondern alle nur denkbaren Abstufungen an Schweregraden gibt.
Auch die Beteiligung verschiedener Umweltfaktoren spielt hierbei eine Rolle. Besonders erwähnenswert sind Fütterung und Bewegung. Wie und wann sich HD vererbt, ist auch den Gelehrten nicht klar. Fest steht aber, das HD vererbbar ist. Wir züchten gezielt mit gesunden Hunden und möchten natürlich wissen, ob wir damit Erfolg haben.
Neben den Erbanlagen gibt es in der Wachstumsphase weitere Faktoren :
- zu schnelles Wachstum, durch Überernährung
- falsche Futterzusammensetzung
- Überforderung des Bewegungsapparates
Noch viel deutlicher ist dieser Zusammenhang beim wachsenden Tier, wo Größen- und Gewichtsverhältnisse oder auch qualitativ falsche Ernährung einen fatalen Einfluss auf die Hüftgelenke haben können. Die meiste Bedeutung haben hierbei die Art der Fütterung sowie Art und Ausmaß der Bewegung. Als nachteilig haben sich zu energiereiche sowie zu eiweißreiche Fütterung vor allem großrassiger Hunde erwiesen. Auch übermäßige körperliche Arbeit, z. B. zu frühes und zu ausgedehntes Training, vor allem an der Steilwand, wirkt sich negativ auf die Entwicklung der Hüftgelenke aus. Die Empfehlung für Junghunde von großen Rassen und Riesenrassen lauten deshalb wie folgt : Der Hund sollte möglichst langsam und nicht "zu fett" groß werden. Er erreicht seine genetisch vorgesehene Größe dann halt erst ein bis zwei Monate später. Eine straffe Kruppen- und Oberschenkelmuskulatur durch moderate, gleichmäßige Bewegung hingegen ist günstig für die Stabilisierung der Hüften. Optimale Aufzuchtbedingungen die für gewissenhafte Züchter und Halter sowieso eine Selbstverständlichkeit sein sollten, sind für die Aufzucht HD-gefährdeter Rassen und Hunde ein absolutes MUSS. Fahrrad fahren und Treppen steigen ist ein absolutes tabu für einen Welpen und Junghund.
Nach wie vor wichtigstes diagnostisches Mittel ist die Röntgenaufnahme. Bei manchen Rassen zur Zuchtzulassung Pflicht, sollte generell jeder Hund ab mittlerer Größe (auch Mischlinge) in einem bestimmten Alter (frühestens mit 12 Monaten) HD-geröntgt werden, um Inkongruenzen oder deformierte Gelenksanteile feststellen zu können.
Um die Aufnahme dann auswerten zu können, muss der Tierarzt, zumindest bei den leichteren Graden, über einige Erfahrung verfügen, wobei die Anzeichen einer schweren HD auch für Laien oft schon zu erkennen ist. Die so genannten "offiziellen" Aufnahmen müssen zur Auswertung an eine zentrale Auswertungsstelle geschickt werden, die je nach Rassezuchtverein unterschiedlich ist.